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Bildgestaltung in Anlehnung
an die
Cover-Struktur des
Wagenbach Verlages
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In
seinen Büchern schildert Longo die Berglandschaften seiner Heimat Piemont,
einsame Dörfer und ihre verschlossenen Bewohner. Sein Roman Der Steingänger
handelt vom Mord am jungen Mann Fausto in einem piemontesischen Tal. Der
Hauptverdacht für den Mord an Fausto liegt bei Cesare, der in der Vergangenheit
jahrelang zusammen mit Fausto als Schleuser Flüchtlinge von Italien über die
Berge nach Frankreich führte. Diese Zeiten sind längst vorbei und Cesare findet
eines Tages zufällig seinen Patensohn und ehemaligen Kollegen Fausto tot in
einem Bachlauf auf. Die Ermittlungen der Polizei können das Schweigen des
gesamten Dorfes nicht brechen. Die Schweigsamkeit der Dorfbewohner ist zugleich
ästhetisches Stilprinzip des Romans, der erzählt, indem er verschweigt und
damit sowohl seine Figuren als auch das Erzählen an seine Grenzen führt. Erst
die Ermittlungen Cesares selbst bringen Klarheit in das Geheimnis um diesen
Mord, der sich nicht als ein berufliches Verbrechen erweist, sondern eine Tat
aus den klassischen Motiven wie Freundschaft und Verrat, Liebe und Rache.
Mit
einer atmosphärisch aufgeladenen und zugleich klaren und schnörkellosen Sprache
erzählt Longo nicht nur in diesem Roman, sondern auch in seinem zweiten
Kriminalroman Der Fall Bramard, der erstmalig in deutscher Übersetzung
im Rowohlt Verlag erschienen ist. Kommissar Corso Bramard soll eine ganze Serie
von Morden an Frauen aufklären, die alle einem Ritual zu folgen scheinen. Alle
Leichen sind durch feine Schnitte auf dem Rücken gekennzeichnet. Kurz bevor
Bramard das den Morden zugrunde liegende Muster erkennen kann, wird seine
eigene Frau Michelle getötet und es verschwindet nicht nur der Mörder, sondern
auch seine kleine Tochter Martina. Tief erschüttert gibt Bramard daraufhin
seinen Posten als Kommissar auf und zieht sich als Geschichtslehrer in sein
piemontesisches Elternhaus zurück. In dieser Lebenslage setzt das
Romangeschehen ein. Von den Ereignissen der Vergangenheit wie von Dämonen
verfolgt, lebt Bramard zurückgezogen bis ihn ihn eines Tages ein Brief des
Mörders mit Zeilen aus Leonard Cohens Gedicht „Story of Isaac“ erreicht, die
ihn dazu veranlassen, die Ermittlungen zu den Serienmorden sowie dem
Verschwinden seiner Tochter erneut aufzunehmen. Die von Longo äußerst spannend
komponierte Kriminalgeschichte verbindet sich dabei mit der genauen Analyse
unterschiedlicher gesellschaftlicher Milieus, die sich zwischen der dekadenten
Oberschicht Turins und der kargen Bergwelt des Piemonts entfalten. Die kurzen
Kapitel reihen Ereignis an Ereignis, sind durchsetzt von literarischen
Verweisen auf Maupassant, Montale und dem japanischen Autor Kawabata wodurch
die Handlung an Vielschichtigkeit gewinnt, ohne an Tempo und
Anziehungskraft zu verlieren.
Davide
Longo wurde 1971 in Carmagnola bei Turin geboren, studierte an der berühmten
Turiner Literaturhochschule Scuola Holden, an der er heute selbst lehrt. Für
seinen ersten Roman Un mattino a Irgalem (2001), das vom Abessinienkrieg
1936 handelt, erhielt 2002 den Premio Grinzane Cavour und wenig später den
Premio Via Po für das beste Erstlingswerk. Für seinen zweiten Roman Der
Steingänger (Il mangiatore di pietre, 2004), der nun in neuer
Auflage im Wagenbach-Verlag erschienen ist, erhielt Longo ebenso bereits zwei
Preise: den Premio Città di Bergamo und den Premio Viadana. Longos dritter
Roman L‘Uomo Verticale (Der aufrechte Mann) erschien 2010. Sein
letzter Roman Il caso Bramard erschien 2014 im Feltrinelli Verlag und
erscheint nun erstmals in deutscher Übersetzung (Der Fall Bramard) im
Rowohlt Verlag in Hamburg in der Übersetzung von Barbara Kleiner. Neben seiner
Tätigkeit als Romanautor und Erzähler, verfasst Longo auch ein Kinderbuch (Il
laboratorio di Pinot, 2002), Dramen (Pietro Fuoco e Cobalto, Il
lavoro Cantato, About Fenoglio u.a.) sowie Beiträge für zahlreiche
italienische Zeitungen und den Rundfunksender RadioRai. Er arbeitet als
Regisseur von Dokumentarfilmen (Carmagnola che resiste, Memorie
dell’Altoforno) und Herausgeber u.a. im Einaudi Verlag, in dem die
Anthologie Racconti di Montagna (2007) erschien. Longo lebt in
Carmagnola.
Longo
wird nicht nur in Italien, sondern auch im deutschen Feuilleton als eine große
Begabung der jungen italienischen Gegenwartsliteratur (zu der Autoren wie Paolo
Giordano, Andrea Bajani und Michela Murgia gezählt werden können) gefeiert. Für
weitere Informationen siehe den Link zur Homepage des Autors: http://www.davidelongo.com/
Davide Longo: Der
Steingänger, Berlin: Wagenbach Verlag 2015, 176 Seiten, 9,90 €.
Davide
Longo: Der Fall Bramard, Hamburg: Rowohlt Verlag 2015, 320 Seiten, 19,95
€.